Zwingenberg. Als 1970 eine Schallplatte mit dem Titel "Jesus Christ Superstar" erschien, ahnte noch niemand, dass der damals 22-jährige Andrew Lloyd Webber einmal zur beherrschenden Komponisten-Persönlichkeit der Musicalwelt aufsteigen sollte. Und wohl auch nicht, dass seine Musik das Publikum im ausverkauften Zwingenberger Schlosshof rocken würde.
Nicole Claudia Weber inszenierte das Erfolgsmusical als perfekte Show, die alle dramaturgischen Register zieht, welches das Ensemble und die Spielstätte hergaben. Der Festspielchor, durchweg anders besetzt als in der Oper "La Traviata" war bestens disponiert und sang professionell über Headsets. Im Orchesterpavillon saß eine Combo mit Intendant Rainer Roos an einem der Keyboards. Der Sound hatte Biss, Ton- und Lichttechnik stimmten. Außerdem wurde das ganze Hofareal in die Inszenierung einbezogen.
Judas erhängte sich im Turm hinter dem Publikum, Jesus wurde oben am Berg vor dem Schloss gekreuzigt. Immer gab es etwas zu sehen, das Tempo der Vorführung hatte es in sich. Patrick Stanke als Jesus und Mischa Mang als Judas schenkten sich nichts. Auch stimmlich, wenn es darum ging, rocktypisch zu übersteuern. Für Aufsehen sorgte der Auftritt des TV-Kultentertainers Michael Gaedt als Herodes mit langen Haaren und gelb getönten Brillengläsern, der seinen Einsatz so kommentiert: "Gibt es etwas Schöneres als auf einer großen Showtreppe süffisant zu lächeln und zwei, vier, sechs, acht, zehn Mädels rechts und links im Arm zu haben? Das ist doch letztlich eine Traumrolle."
Gesanglich eine Traumbesetzung war Matias Tosi alias Pilatus, der schon in der Traviata für seine Gestaltung der Rolle des Vaters von Alfredo Ovationen erhielt. Werner Pürling überzeugte als Kaiphas mit tiefschwarzem Bass. Auch Nebenrollen waren gut besetzt und die Showturngruppe "Exótica" steuerte einen weiteren Farbtupfer zu dem ohnehin schon bunten Spektakel bei. Herauszuheben ist Jana Marie Gropp als Maria Magdalena. Sie spielte und sang so einfühlsam und emphatisch, dass auch die zu Herzen gehenden Kultsongs von Lloyd Webber ihren Zauber entfalten konnten. Als besonderer Regiegag kam am Ende Judas, der sich ja eigentlich erhängt hatte, auf die Bühne um Jesus versöhnlich zu umarmen.
So gab es ein Happy End, das die Geschichte so kaum hergibt. Angesichts des beinahe frenetischen, überwiegend stehend vorgetragenen Beifalls des Publikums, ist das Modernisierungskonzept von Rainer Roos voll und ganz aufgegangen und auch die nachwachsende Generation des Adelshauses von Baden applaudierte an den Fenstern der Forstverwaltung heftig
Und "Jesus Christ"? War er nun Verführer, Blender, Aufrührer oder gar ein Superstar? Das Drama um sein Ende taugt allemal als Opernstoff. Auch im August und vor einem Festspielpublikum, befreit von jeglichem Karfreitagsdunst, kommt die Message durchaus rüber. Und im Gegensatz zu dem, was sich mittlerweile alles "Musical" schimpft, haben Lloyd Webbers Stücke (nach)singbare Melodien und so mancher hatte sie beim nächtlichen Abstieg von der Burg noch auf den Lippen.